B. Marquardt: Umwelt und Recht in Mitteleuropa

Cover
Titel
Umwelt und Recht in Mitteleuropa. Von den grossen Rodungen des Hochmittelalters bis ins 21. Jahrhundert


Autor(en)
Marquardt, Bernd
Reihe
Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte 51
Erschienen
Zürich 2003: Schulthess Juristische Medien
Anzahl Seiten
711 S., zahlreiche Abb.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Ulf Wendler

Immer offensichtlicher werden die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt. So verwundert es nicht, dass nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch geisteswissenschaftliche Disziplinen sich verstärkt mit dem Thema «Umwelt» beschäftigen. In den letzten Jahren wurden einige wichtige Beiträge zur Umweltgeschichte publiziert. Bernd Marquardt nähert sich dieser Thematik in seiner Habilitation von der Rechtsgeschichte her.

In einem voluminösen Band untersucht der Autor, die «Entwicklung des Verhältnisses von Gesellschaft und Umwelt [...], wie es sich im Spiegel des Rechts darbietet» (S. VII). Marquardts Untersuchungszeitraum ist rund ein Jahrtausend vom Hochmittelalter bis zur Gegenwart. Der behandelte Raum umfasst (das deutschsprachige) Mitteleuropa bzw. für die jüngere Zeit die Schweiz, Deutschland und Österreich. Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: 1. Das Umweltrecht in der solarenergetisch-agrarhochkulturellen Epoche Mitteleuropas (950–1800), 2. das Umweltrecht während des langen Jahrhunderts des fossilen Energiesystems der Steinkohle (1800–1950) und 3. das Umweltrecht in der zweiten Generation fossiler Energieträger (seit 1950).

Zu Beginn erläutert Marquardt das auf Nachhaltigkeit ausgerichtete lokale Landnutzungssystem (vor allem die Waldnutzung) vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Nachdem durch die mittelalterlichen Rodungen der gesamte zur Verfügung stehende Raum erschlossen wurde, sorgte eine nachhaltige Nutzung dafür, dass es zu einem stabilen Gleichgewicht zwischen Ressourcen und Menschen kam. Grundsätzliche Wandlungen kann Marquardt in dieser Zeit nicht erkennen, denn die Rechtsordnungen galten teilweise viele Jahrhunderte. Damit vereinfacht (und idealisiert) der Autor die Landnutzung dieser Zeit. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Wirklichkeit war um einiges komplexer, als es die Rechtsquellen zeigen.

Um 1800 fand ein Paradigmenwechsel statt. An die Stelle der Nachhaltigkeit trat die Gewinnmaximierung. Der Gemeinbesitz wurde zugunsten des privaten Eigentums zerschlagen, welches von seinem Besitzer nahezu unbeschränkt ausgebeutet werden konnte. Die auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Rechtsvorschriften wurden beseitigt. Einen zeitweisen Erfolg konnte diese Art des Wirtschaftens nur durch den Einsatz von Kohle und Öl haben, wodurch Energie in einem nie zuvor gekannten Ausmass zur Verfügung stand. Das Umweltrecht führte ein Kümmerdasein. Dies änderte sich erst nach und nach in den 1970er Jahren.

Die Umweltproblematik ist für den Autor ein drängendes Problem, so dass seine Arbeit nicht mit einer Zusammenfassung endet, sondern mit einem Plädoyer für einen «ökologischen Verfassungsstaat». Am Schluss der Arbeit wäre angesichts der Fülle des vorgelegten Materials ein Resümee der Ergebnisse empfehlenswert gewesen.

Umweltschutz ist keine neue Entwicklung der letzten Jahrzehnte, sondern entsprechende Rechtsvorschriften können sich an einer Jahrhunderte langen und erfolgreichen Geschichte orientieren. Marquardt stellt das mitteleuropäische Umweltrecht mit seinen Kontinuitäten und Brüchen engagiert dar – in einem umfassenden und in vieler Hinsicht anregenden Werk.

Zitierweise:
Ulf Wendler: Rezension zu: Bernd Marquardt: Umwelt und Recht in Mitteleuropa. Von den grossen Rodungen des Hochmittelalters bis ins 21. Jahrhundert. Zürich/Basel/Genf, Schulthess, 2003. (Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte, Bd. 51). Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 3, 2004, S. 342-343.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 3, 2004, S. 342-343.

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